Text & Fotos: Oliver Stöhr (22.08.2014)

 

Baustellen und Baugruben in Siedlungsräumen sind nicht selten spannende, wenn auch nur kurzlebige Pflanzenlebensräume, bringen sie doch in Abhängigkeit von Vornutzung und Umfeld einen mitunter unerwarteten Pflanzenreichtum hervor. Neben vielen einjährigen Arten, welche die Gunst der Stunde nutzen, wird die Vegetation solcher Ruderalflächen - wienerisch auch "Gstättn" genannt - von vielen Neubürgern (Neophyten) und stickstoffliebenden Pflanzen geprägt.

Beispielgebend für die pflanzliche Vielfalt solcher Ruderalflächen ist derzeit die Baustelle des ehemaligen Gasthofes "Alte Mühle" in Debant, die ich letzte Woche aufsuchte. Neben den "klassischen" und häufigen Vertretern der Ruderalflora wie Weißer Gänsefuß (Chenopodium album), Einjähriges Berufkraut (Erigeron annuus), Hühnerhirse (Echinochloa crus-galli), Kleine Borstenhirse (Setaria pumila) oder Kanadische Goldrute (Solidago canadensis) gesellen sich dort derzeit auch seltenere Arten, die teilweise Kulturrelikte darstellen, teilweise aber auch auf Verwilderungen und Neueinschleppung zurückgehen.

Die prägnantesten und interessantesten Pflanzen werden nachfolgend kurz illustriert:


Eine der Überraschungen auf dieser Ruderalfläche ist das nicht seltene Auftreten der aus dem Mittelmeer stammenden Mariendistel (Silybum marianum). Diese Art wurde bislang nur wenige Male in Osttirol nachgewiesen. 


Der giftige Gewöhnliche Stechapfel (Datura stramonium) - hier bereits im Fruchtzustand - ist in den Tallagen Osttirols zerstreut, aber kaum beständig anzutreffen.


Der im Blühzustand auffallende, aus Amerika stammende und bei uns zuweilen als Zierpflanze kultivierte Weichstachel-Stechapfel (Datura innoxia) wurde in Tirol bislang noch nicht verwildert nachgewiesen.


Nicht selten kultiviert, aber zuweilen auch unbeständig verwildert ist das ästhetische Gurkenkraut, auch Borretsch genannt (Borago officinalis).


Das unscheinbare, vielerorts aufgrund der stark allergenen Wirkung gefürchtete "Ragweed" (Großes Taubenkraut, Ambrosia artemisifolia) tritt in kleinen Beständen bereits in Osttiroler Ruderalflächen auf.


Die Gewöhnliche Ringelblume (Calendula officinalis) ist als Heilpflanze weithin bekannt, verwildert aber auch gelegentlich.


Als Balkonpflanze ist die Petunie (Petunia x atkinsiana) sehr beliebt, auch sie kann unbeständig verwildern.


Unscheinbares Gewächs mit deftigem deutschen Namen: der nicht häufige Sautod-Gänsefuß (Chenopodium hybridum).


Die Asien-Kermesbeere (Phytolacca acinosa) weist im Gegensatz zur ebenfalls als Neophyt auftretenden Amerika-Kermesbeere (Phytolacca americana) aufrechte Blütenstände auf.


Auch die Garten- oder Mauretanische Malve (Malva sylvestris var. mauritiana) wird nicht selten in Gärten kulitiviert und kann unbeständig verwildert oder als Kulturrelikt auftreten.


Der bodenanliegende, trittresistente Gemüse-Portulak (Portulaca oleracea) ist der "kleine" Bruder der nachfolgend angeführten Art und kommt nicht selten in den wärmsten Teilen Osttirols im Siedlungsraum vor.


Unerwartete botanische Kuriosität in der Debant: das ursprünglich aus Brasilien stammende, zuweilen bei uns kultivierte Portulakröschen (Portulaca grandiflora) kann verschiedene Blütenfarben und auch gefüllte Blüten aufweisen. In Tirol wurden bislang noch keine Verwilderungen dieser sukkulenten Art registriert.


Übersicht über die Ruderalfläche des ehemaligen Gh. "Alte Mühle" in der Debant. Den nur für kurze Zeit auftretenden "konkurrenzfreien" Raum nutzen vielen Pflanzen, darunter auch Neophyten und Kulturrelikte, zur Vermehrung und Ausbreitung. Nicht alle werden den Sprung in die freie "Wildbahn" schaffen ...