Text: Oliver Stöhr, Fotos: Susanne Gewolf & Oliver Stöhr (13.10.2015)

Was man als Biologe beim Autofahren nicht so alles entdeckt: Der Botaniker kartiert die spannende Bankettenflora bei 100 km/h, der Ornithologe verfolgt den Vogelzug durch das Dachfenster und selbst der Entomologe wird nicht enttäuscht, selbst wenn er letztlich meist nur mehr tote Insekten von der Motorhaube klaubt ...

Kuriose Beobachtungen können aber auch beim Einparken getätigt werden: So geschehen am 11.10.2015 in Debant, wo der Verfasser für einen kurzen Moment sein Auto nahe einer Thujen-Hecke abstellte, um gemeinsam mit seiner Frau auf seine Schwiegereltern zu warten. Vom Autositz aus schweifte der Blick in das ansonsten trostlose Thujengrün, das sich aber dieses Mal von seiner besten Seite zeigte, denn es bewegte sich was. Und dieses was war ein Weibchen einer Punktierten Zartschrecke (Leptophyes punctatissima), das mit ihren langen Beinen etwas verloren in der "Thujenwüste" herumstakste. Natürlich war mit Ausnahme des Smartphones wieder keine Kamera im Auto vorhanden und so wurden in der Eile zwei wenig preisverdächtigte Fotos angefertigt (s.u.). Diese reichten aber für die Bestimmung durch Werner Reitmeier vom Österreichischen Heuschreckenforum (www.orthoptera.at) aus, wofür an dieser Stelle nochmals der beste Dank ausgesprochen wird. Dies umso mehr als es sich um den ersten Nachweis dieser Langfühlerschrecke für Osttirol und den Zweitfund für Tirol handelt!

Die Punktierte Zartschrecke gilt als Kulturfolger, der sich gerne in Gärten und Parks ansiedelt. Sie hält sich vorzugsweise im Gebüsch auf und ist daher nicht leicht zu finden, zumal ihr Gesang auch sehr leise und nur aus rd. 50 cm Entfernung zu hören ist. Sie ernährt sich fast ausschließlich von Pflanzen, insbesondere von diversen Straucharten. Der aktuelle Verbreitungsschwerpunkt der Art in Österreich liegt in den östlichen Bundesländern, obwohl es sich um eine ursprünglich westeuropäische Art handelt. Aus Tirol war bislang nur ein Vorkommenspunkt vom Nordtiroler Inntal bekannt.

Und was lernen wir letztlich von dieser Geschichte?: Die Heuschreckenfauna Tirols ist noch lange nicht erforscht. Und: Auch Autofahren kann zum biologischen Erkenntnisgewinn beitragen!

Das für das Fotoshooting auf die Hand transferierte Weibchen der Punktierten Zartschrecke; die Art ist kleiner als die ähnliche Laubholz-Säbelschrecke (Barbitistes serricauda), zudem ist der Legeborer nicht wie bei der letztgenannten Art auffallend gesägt.

Das entdeckte Weibchen von Leptophyes punctatissima in der Thujenhecke in Debant.