Text & Fotos: Oliver Stöhr (10.7.2017)

Vor einigen Tagen konnte der auffällige gefärbte Alpenbockkäfer (Rosalia alpina) vom Verfasser in einem adulten Individuum oberhalb von Lavant an einer hochstauden- und blütenreichen Forststraßenböschung gesichtet werden - es handelt sich damit um einen der wenigen Rezentnachweise dieses bemerkenswerten Bockkäfers aus Osttirol. Der Fund bietet Anlass, ein kurzes Portrait dieser in der FFH-Richtlinie in den Anhängen II und IV gelisteten prioritären Art zu bringen. 

Der Alpenbock ist mit bis zu fast 4 cm ein großer Bockkäfer, dessen Körper auffällig blau-schwarz gemustert ist. Auch die Fühler sind blau-schwarz gefärbt und weisen in der Mitte schwarze Haarbüschel auf. Die Fühler der Männchen sind fast doppelt körperlang, während jene der Weibchen nur wenig länger als der Körper sind. Der Käfer hat hohe Wärmeansprüche und besiedelt vorzugsweise steile, besonnte Laub- und Bergmischwälder mit alten Rotbuchen (Fagus sylvatica). Derartige Lebensräume findet der Käfer bevorzugt in der montanen bis subalpinen Höhenstufe der Kalkalpen.

Für die Eiablage werden stehende, starke Stämme v.a. der Rotbuche benötigt. Die Entwicklung der Larven dauert durchschnittlich 2 bis 5 Jahre. Die geschlüpften Käfer halten sich zunächst in der Nähe des Brutplatzes auf und sterben bereits wenige Wochen nach dem Schlupf. Der Alpenbock ist tagaktiv und v.a. bei sonnigen, windstillen und warmen Wetter im Hochsommer, insbesondere zur Mittagszeit, als Adulttier anzutreffen.

Adulter Alpenbockkäfer, gesichtet Anfang Juli 2017 am Rand einer Forststraße oberhalb Lavant (Lienzer Dolomiten)

Die Art steht in Österreich als "gefährdet" (vulnerable) auf der Roten Liste, da v.a. seine Lebensräume mit entsprechendem Alt- und Totholzanteil der Rotbuche, insbes. bedingt durch Waldumwandlungen und kurzere Umtriebszeiten, heute selten geworden sind und damit auch die Art selbst stark rückläufig ist. Die Art ist somit vielfach im Fokus des Naturschutzes und dient nicht zuletzt aufgrund ihrer Farbgebung als populäre Flaggschiff-Art für Naturschutzmaßnahmen. Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) hat etwa einen rd. 50-seitigen Aktionsplan für den Alpenbock ausarbeiten lassen, der viele vertiefende Information zu dieser Art enthält und hier angesehen werden kann.

Für Tirol hat zuletzt Andreas Eckelt die aktuelle Situation des Alpenbockkäfers in einer eigenen Publikation dargestellt, die ebenfalls hier eingesehen werden kann. Die in dieser Arbeit angeführte Verbreitungskarte zeigt die aktuell bekannten Vorkommen in den Nördlichen Kalkpalpen Nordtirols zwischen Kuftstein und Ehrwald sowie am Nordabfall der Lienzer Dolomiten in Osttirol. Hier konnte der Oliver Stöhr diese Art auch schon im Juli 2011 am Frauenbach, also ebenfalls in der Gem. Lavant, in einem Individuum fotografieren (s. Bild unten). Weitere Nachweise reichen schon weiter zurück und gehen auf Beobachtungen u.a. von Helmut Deutsch und Alois Kofler aus der Zeitperiode 1950 bis 2000 zurück.

Dass sich die Osttiroler Nachweise auf die steilen Nordabfälle der Dolomiten beschränken, liegt angesichts der engen Verbreitung der Rotbuche in Osttirol und der hier noch vermehrt auftretenden alt- und totholzreichen Waldbestände auf der Hand. Gerade die hier vorhandenen steilen Einhänge zu den Bächen, in denen kaum eine Waldnutzung stattfindet, dürften wertvolle Rückzugsräume für den Alpenbockkäfer darstellen.

 Von einer Ameise am Kopf attackierter Alpenbockkäfer auf einer Alluvion des Frauenbaches (Gem. Lavant), Foto Juli 2011.