Text: Herbert Angerer, Fotos: Herbert Angerer & Helmut Deutsch  (25.01.2014)

Vorbemerkung: Mit diesem Beitrag wird eine lose Folge von Portraits von Tier- und Pflanzenarten begonnen, die in Mitteleuropa aufgrund ihrer ökologischen Bedeutung und v.a. aufgrund ihres Naturschutzwertes als "Jahreswesen" in das Rampenlicht der Öffentlichkeit gerückt werden. Die NAGO startet mit einer auch für Osttirol typischen Pflanze, die in Deutschland zum Baum des Jahres 2014 erkoren wurde: der Traubeneiche. Der österreichische Baum des Jahres 2014, die Rotbuche, folgt in einem eigenen Beitrag.

Sie hat es heuer geschafft in den erlauchten Kreis der „Bäume-des-Jahres“ aufgenommen zu werden – die Traubeneiche mit dem wissenschaftlichen Name Quercus petraea. Der Name „Quercus“ leitet sich vom lateinischen „esca“ für „Speise“ ab und deutet damit auch die Bedeutung der Eiche als Nahrungsmittellieferant an. Die getrockneten und gemahlenen Früchte der Eiche waren früher sogar als Kaffeeersatz in Verwendung. Die Bezeichnung „petrea“ (hart, felsig) mag wohl auch ein Hinweis auf die harten Früchte oder vielleicht auch auf das harte Holz sein.

Damit ist heuer ein stattlicher Baum in die honorige Runde gewählt worden. Dabei sind sich die Botaniker noch gar nicht so sicher, ob es sich bei der Traubeneiche tatsächlich schon um eine eigene Art oder „nur“ um eine Unterart der Stieleiche handelt. Denn die Unterscheidungsmerkmale sind nämlich gar nicht so deutlich wie man vermuten könnte. Bei genauerer Betrachtung sind aber feine Unterschiede in der Blattform zu erkennen. Die Buchtung der Blätter ist bei der Stieleiche etwas größer und unregelmäßiger als bei der Traubeneiche deren Blätter eher kleinere und regelmäßigere Buchten aufweisen. Weiters kann man am Blattende der Steileiche zwei kleine Öhrchen erkennen, die bei der Traubeneiche fehlen und die Blattstiele der Stieleiche sind im Vergleich zur Traubeneiche deutlich kürzer. Die Bezeichnung „Stieleiche“ bezieht sich daher nicht auf die Blatt- sondern auf die Fruchtstiele, die bei der „Stieleiche“ wiederum länger sind als jene der Traubeneiche. Ein gutes Unterscheidungsmerkmal offenbart sich zudem unter dem Mikroskop, wo die Blattunterseite der Traubeneiche winzige Sternhaare aufweist, die der Stieleiche fehlen. Wirklich schwierig wird jedoch das Auseinanderhalten der beiden Arten, wenn diese hybridisieren, d. h. Bastarde bilden. Dann kann es zu einer Merkmalsvermischung kommen, die sich zum Beispiel in langen Blatt- und Fruchtstielen zu erkennen gibt. Man muss sich also die Merkmale der beiden Arten für eine gute Differenzierung schon genau ansehen.


Die Blüten und Blätter der Traubeneiche gleichen jenen der Stieleiche sehr.

Ein kleiner Hinweis für die Unterscheidung der beiden Baumarten aus der Ferne: Die Traubeneiche behält einen großen Teil der (trockenen) Belaubung auch im Winter und wird deshalb regional auch „Wintereiche“ genannt. Was die standörtlichen Ansprüche betrifft sind die beiden Baumarten besser zu unterscheiden. Findet man die Stieleiche oft in Auenlagen als typischen Vertreter der „Harten Au“ so bevorzugt die Traubeneiche eher trockene und wärmere (Hang)lagen und vermeidet staunasse Böden. Als Bodensubstrat bevorzugt sie eher „saure“ Gesteine und wird auf kalkhaltigen also basischen Böden vielfach von der Buche verdrängt. Hinsichtlich Standortsqualität für diese Baumart hat Osttirol ja einiges zu bieten. Vor allem die südexponierten unteren Hanglagen im Iseltal, zwischen Lienz und St. Johann oder an Südhängen östlich von Lienz, sind als Standorte gut geeignet.

In Eichenwäldern ist die Traubeneiche zum überwiegenden Teil als Mischbaumart in Beständen mit Hainbuchen-, Kiefern oder Birken anzutreffen, bestandesbildend ist sie aber nicht. Solche Waldtypen gibt es aber nutzungsbedingt auch in Osttirol nicht oder kaum mehr oder sie sind auf kleine Gehölzfragmente in unzugänglichen Lagen beschränkt. Die lokalen Vorkommen sind zu einem Teil auch auf die traditionelle und meist kleinräumige Bewirtschaftung der Kulturflächen zurückzuführen. So findet man die Baumart fallweise auf trockenen Schuttflächen und auf Lesesteinmauerwerk entlang von Feld- und Ackerrändern.

Traubeneichen, wie hier unweit Schloss Lengberg, sind bevorzugt in sonnigen, kollin-montanen Lagen anzutreffen.

Die tiefwurzelnden Stiel- und Traubeneichen bilden die stattlichsten Bäume bei den heimischen Eichenarten aus. Sie können dabei ein Alter von über 1000 Jahren und einen Stammumfang von mehr als 10 m erreichen (wenn man sie lässt).

Die Traubeneiche ist Lebensraum und Futterpflanze für eine Vielzahl von Tierarten, insbesondere von Schmetterlingen und Käferarten, wie z.B. dem imposanten Hirschkäfer. Aufgrund der Neigung zu Baumhöhlen ist sie zudem als Fortpflanzungsstätte für zahlreiche Vogelarten relevant.

Die germanische Geschichte ist voll von Hinweisen auf diese beeindruckenden Bäume, die in alter Zeit für viele Volkschaften heilig waren. Hierzu noch ein überliefertes Detail. Der Heilige Bonifazius, ein christlicher „Holzfäller“, hatte im Jahre 723 bei der Missionierung der Franken die berühmte Jupitereiche gefällt, einen der letzten Götterbäume der heidnischen mitteleuropäischen Welt. Diese Tat haben ihm aber die pflanzenliebenden, heidnischen Germanen nicht verziehen. Dabei ist aber nicht überliefert, ob es sich bei der dem Germanengott Donar geweihten Eiche um eine Trauben- oder Stieleiche gehandelt hat.