Text & Fotos: Oliver Stöhr (14.9.2016)

Zur "Libelle des Jahres 2016" wurde in Deutschland eine Kleinlibelle auserkoren, die auch in Österreich beheimatet ist und bei uns noch durchwegs vertreitet auftritt. Es handelt sich um die Gemeine Binsenjungfer (Lestes sponsa), die gemeinsam mit den Winterlibellen und der Weidenjungfer zur Familie der Teichjungfern zählt. Da in Österreich keine Libellen als "Jahreswesen" ausgewählt werden, darf die deutsche Wahl zur Libelle des Jahres auf Österreich übertragen und dieses grazile Insekt im folgenden Beitrag kurz portraitiert werden.

Bei der Gemeinen Binsenjunger handelt es sich um eine zarte, rd. 4 cm lange, metallisch schimmernde Libelle mit bis 2,5 cm langen Flügeln. Das Männchen weist im Gegensatz zum Weibchen am Kopf zwei tiefblaue Facettenauen auf und ist an der Brust sowie am Hinterleib durch eine pflaumenblaue Bereifung charakterisiert. Das Flügelmal (Pterostimga) an den Vorder- und Hinterflügeln ist bei beiden Geschlechtern einfarbig dunkel gefärbt. Gegenüber den ähnlichen Arten (insbes. Lestes dryas, der Glänzenden Binsenjungfer) ist die Art durch einige Feinmerkmale geschieden, die im Binokular oder anhand guter Fotos visualisiert werden können.

 

Männchen der Gemeinen Binsenjunfer mit blauen Augen, metallischem Körper und blauer Bereifung

 

Das Weibchen der Gemeinen Binsenjungfer ist ebenso metallisch glänzend, aber im Gegensatz zum Männchen nicht blau bereift und weist auch keine blauen Auen auf.

Lestes sponsa ist eine eurosibirische Art, die von den Teichjungfern am weitesten nach Norden (in Finnland bis zum Polarkreis) vordingt. Sie ist in Mitteleuropa weit verbreitet und auch in Österreich in allen Bundesländern vom Tal bis in die untere alpine Stufe zu finden. Die wichtigsten Vorkommen in Österreich liegen laut dem Buch "Libellen Österreichs" von Raab et al. (2007) an den Fischteichen des nordwestlichen Waldviertels, im Inn- und Lechtal, im Rheindelta und im Rheintal, in den Donauauen sowie an Gewässern der Südoststeiermark. In Tirol sind große Populationen im Unterinntal von Terfens bis Kufstein, im Bezirk Kitzbühel, im Oberinntal, Gurgltal, Außerfern und im unteren Drautal in Osttirol bekannt. Sie ist hier wie auch in ganz Österreich ungefährdet und demzufolge auch nicht als geschützte Tierart in der Tiroler Naturschutzverordnung 2006 gelistet.

Die bislang bekannte Feinverbreitung der Art im Bezirk Lienz erstreckt sich von der Landesgrenze bei Nikolsdorf über den Talboden des Lienzer Beckens einerseits bis in den Bereich Sillian/Tassenbach sowie andererseits bis ins Iseltal bei Matrei sowie ins Defereggental bei St. Jakob (vgl. Karte). Die Adulttiere sind in Osttirol und darüber hinaus meist im Hochsommer (v.a. Juli bis September) an den Reproduktionsgewässern zu beobachten, wo sie sich als wenig flugfreudige Tiere meist an Stängeln oder Ästen sitzend gut beobachten lassen. Die im Wasser lebenden Larven wird man als Laie kaum zu Gesicht bekommen, sie können unter optimalen Bedingungen bereits binnen 5-7 Wochen ihre 9-12 Entwicklungsstadien durchlaufen und sich dann zu einem geflügelten, bis max. 73 Tage alt werdenden Adulttier verwandeln. Männchen und Weibchen bilden zur Fortpflanzung ein sogenanntes Paarungsrad und legen in dieser "innigen" Umklammerung oft gemeinsam binnen weniger Stunden bis zu 200 reife Eier unter Wasser ab. Die Eier sind winterhart und können ein Einfrieren im Eis sowie Temperaturen unter -30°C überstehen.    

Aktuelle Verbreitung der Art in Osttirol in Rasterform (links) sowie das herzförmige Paarungsrad der Gemeinen Binsenjungfer (rechts)

Die Gemeine Binsenjungfer ist ökologisch wenig anspruchsvoll und besiedelt ein relativ großes Gewässerspektrum. Bevorzugt werden allerdings besonnte, stehende Gewässer mit ausgeprägter Röhrichtvegetation, wie sie in Osttirol nur sehr punktell z.B. am Nörsacher Teich, den Lavanter Baggerteichen, dem Tassenbacher Speicher oder der Brühl bei Matrei vorkommen. Als Kleingewässerart meidet sie größere, freie Wasserflächen wie etwa den Obersee am Staller Sattel oder den Tristacher See.

Röhrichtbestandene Kleingewässer, wie hier der Nörsacher Teich bei Nikolsdorf - ein ehemaliger Libellenhotspot Osttirols, der heute leider stark veralgt und verlandet ist -, sind typische Lebensräume der Gemeinen Binsenjungfer.