Am frühen Nachmittag des 19.5.2013 konnten die beiden NAGO-Mitarbeiter Susanne Gewolf und Oliver Stöhr im Lavanter Forcha während fotografischer Arbeiten zufällig zwei Personen beim Pflücken eines Handstraußes von Wildpflanzen beobachten. Im Handstrauß konnten bereits par distance blühende Frauenschuh-Stängel (Cypripedium calceolus) ausgemacht werden. Auf die Frage, ob sich die Personen bewusst sind, was sie da eigentlich pflücken, bekamen einer der NAGO-Mitarbeiter folgende verblüffende Antwort zurück: „Ich weiß schon, dass das Frauenschuh sind und dass diese geschützt sind, aber pro Person ist das Pflücken eines Frauenschuh-Stängels erlaubt – das weiß ich ganz genau – und ich habe ja nur zwei Stängel in der Hand, das sehen Sie ja! Zudem haben wir das schon immer so gemacht und wir pflegen die Bestände!“ Auf die Rückfrage, wie die Personen die „Bestände“ genau pflegen, gab es keine Antwort mehr, die beiden Personen stiegen in ihr Auto und verließen offenbar verärgert samt Blumenstrauß das Forcha.

Dieser Vorfall ist aus der Sicht der NAGO aus mehreren Gründen unerfreulich: Zum einem wurde hier offenbar trotz Kenntnis des Schutzstatus der Pflanze ein bewusster Verstoß gegen das Tiroler Naturschutzgesetz begangen und blühende Stängel einer vollkommen geschützten Art gepflückt. Andererseits scheint das Bewusstsein um die biologischen Fakten, d.h. um die Seltenheit und den Rückgang dieser Orchidee noch nicht allgemein bekannt zu sein. Nicht zuletzt auf Grund der stets latenten und durch etliche Tatbestände belegten Gefahr des Pflückens und Ausgrabens dieser äußerst attraktiven Art wurde der Frauenschuh nicht nur tirol-, sondern ganz österreichweit unter gesetzlichem Schutz gestellt. Letztlich sind es auch Uneinsichtigkeit und Unbelehrbarkeit, die in diesem Falle noch als befremdliche Charaktereigenschaften hinzutreten.

Aus diesem Vorfall heraus sind seitens der NAGO folgende Punkte anzuführen:

  • Der Frauenschuh ist in Tirol aufgrund der Naturschutzverordnung 2006 vollkommen gesetzlich geschützt. Ein Ausgraben und ein Pflücken der Pflanze oder von Pflanzenteilen (auch seien es "nur zwei Stängel" wie oben erwähnt) ist per Gesetz untersagt.
  • Der Frauenschuh ist weiters im Anhang IV der FFH-Richtlinie als europaweit geschützte Art aufgelistet.
  • Zudem steht der Frauenschuh aufgrund teils massiver Rückgänge, die durch Lebensraumverluste und durch Plünderungen hervorgerufen werden/wurden, als hochgradig gefährdete Art auf den Roten-Liste; in der aktuelle Roten Liste für Tirol ist er als „gefährdet“ (Gef.-Grad 3) eingestuft.
  • Gepflückte blühende Frauenschuh-Stängel halten sich in der Blumenvase nur wenige Tage, sie können dann keine Samenkapseln ausbilden und die Art kann sich damit nicht mehr weiter fortpflanzen. Das Pflücken von Stängeln kann auch die Einzelpflanze bzw. die unterirdischen Pflanzenteile vor Ort derart beeinträchtigen, sodass diese in weiterer Folge absterben kann.   

Um Aufklärung und Verständnis zu forcieren, würde es die NAGO begrüßen, wenn im Lavanter Forcha, das zahlreiche weitere geschützte Pflanzenvorkommen enthält, Informationstafeln zu den unter Naturschutz stehenden Arten installiert würden. Zudem wäre in diesem äußerst leicht erreichbaren und beliebten Naherholungsgebiet auch eine verstärkte Kontrolle durch die Tiroler Bergwacht zu begrüßen, welche ebenso in erster Linie auf Aufklärung abzielen sollte. Dem Lavanter Forcha mit seinem Orchideenreichtum und dem Erhalt des Gebietes für künftige Generationen würden beide Maßnahmen jedenfalls gut tun!

P.S.: Da es der NAGO stets ein Haupt-Anliegen ist, Bewusstseinsbildung anhand fachlicher Grundlagen im positiven Sinne zu betreiben, wurde von einer Meldung des Vergehens an die BH Lienz abgesehen.

Welche Tier-, Pilz- und Pflanzenarten in Tirol gesetzlich geschützt sind können Sie hier nachlesen.