Text: Oliver Stöhr (20.4.2020), Fotos: Oliver Stöhr & Helmut Deutsch

Antike Stätten sind nicht selten ein Untersuchungsobjekt naturkundlicher Forschungen, sei es um historische Tier- und Pflanzenreste archäologisch auszuwerten oder um deren rezente, meist vielfältige Arteninventare zu erfassen. Für die im Lienzer Talboden situierte römische Siedlung Aguntum wurde im Jahr 2014 ein Leitbild für das Grabungsareal erstellt, dem ein Masterplan für die Gestaltung des Areals als Archäologischer Landschaftspark folgte. Als im Zuge dieser laufenden Planungsarbeiten dazu Ende 2018 die Idee an die NAGO herangebracht wurde, die aktuelle Tier- und Pflanzenvielfalt in Aguntum zu erfassen, haben wir rasch unsere Zustimmung geäussert, da das Areal von Aguntum einerseits leicht erreichbar ist und andererseits aufgrund seiner Habitatausstattung vielversprechend wirkt. Zudem lagen für etliche Organismengruppen wie den Schmetterlingen, den Heuschrecken oder den Farn- und Blütenpflanzen noch keine systematisch erfassten Daten vor.

Die Ergebnisse unserer Untersuchungen liegen nun in einer umfassenden Studie vor, die hier eingesehen und runtergeladen werden kann.

Das für die Erhebungen gewählte, rd. 7,5 ha große Untersuchungsgebiet umfasst das gesamte heutige, ganzjährig frei betretbare Ausgrabungsareal von Aguntum mit rd. 3 ha sowie einen Randbereich aus verschiedenen Gehölzstrukturen und das Areal des dortigen Gebäudekomplexes (Museum, Parkplatz, Bürogebäude etc.). Die Untersuchungen wurden von Dr. Oliver Stöhr, Helmut Deutsch, Mag. Herbert Angerer, Dr. Eva Benedikt und Mag. Susanne Gewolf durchgeführt, wobei neben den Biotop- und Lebensraumtypen das Inventar an Farn- und Blütenpflanzen, Reptilien, Schmetterlingen sowie Heuschrecken in mehreren Durchgängen im Jahr 2019 systematisch erfasst wurde. Dabenen wurden Beifunde weiterer Tier- und Pflanzenartengruppen im Feld erhoben und Literaturdaten ausgewertet.

Aguntum umfasst auf engem Raum eine Vielzahl unterschiedlicher Trockenstandorte, wobei sich die Bestände großteils durch standortstypische, artenreiche Pflanzengemeinschaften auszeichnen. Auch geschützte oder gefährdete Biotopflächen sind in Aguntum vorhanden – allen voran die österreichweit gefährdeten Offenlandlebensräume der artenreichen Fettwiesen, Magerwiesen, Halbtrockenrasen und der Silikat-Pioniertrockenrasen/-Felstrockenrasen, die mit rd. 3,3 ha auch flächenmäßig von Relevanz sind. Dazu ist zu erwähnen, dass im gesamten intensiv genutzten Lienzer Talboden an keiner weiteren Stelle mehr ein so kompakter und verhältnismäßig großflächiger Extensivgrünlandkomplex auftritt, sodass Aguntum auch unter diesem Blickwinkel eine hohe ökologische Bedeutung im Talbereich Osttirols zukommt.

Allein bei den Farn- und Blütenpflanzen konnten insgesamt 352 Arten in Aguntum nachgewiesen werden, das entspricht einem beachtlichen Anteil von rd. 18 % aller in Osttirol derzeit bekannten wildwachsenden Gefäßpflanzenarten. Darunter sind auch etliche naturschutzfachlich wertgebende, d.h. geschützte oder gefährdete Arten anzutreffen, wie Acker-Steinsame (Buglossoides arvensis), Kicher-Tragant (Astragalus cicer) oder Arznei-Primel (Primula veris). Erstmalig für die Flora Osttirols wurde der Salbei-Gamander (Teucrium scorodonia) gefunden, der als Einzelpflanze im sog. Marcellum auf offenem Kies angetroffen wurde. Bei den Reptilien konnte zwar nur die Mauereidechse (Podarcis muralis) nachgewiesen werden, diese dafür jedoch sehr individuenreich, sodass von dieser geschützten Art in Aguntum die größte Population im Lienzer Talboden situiert sein dürfte.

Das Inventar der Schmetterlingsarten liegt zwar mit 150 Arten unter den Erwartungen, jedoch konnten mit dem Zünsler Synaphe punctalis der Zweitnachweis und mit dem Wickler Cydia amplana sogar der Erstnachweis für Osttirol erbracht werden. 13 Heuschreckenarten, darunter die für Trockenstandorte typischen Arten Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) oder Graue Beißschrecke (Platycleis albopunctata ssp. grisea), sowie ein Erstnachweis der auffälligen Heuschrecken-Sandwespe (Sphex funerarius) für Osttirol runden die Ergebnisse ab.

Zusammen mit den in der Literatur dokumentierten früheren Artnachweisen aus Aguntum, die mehrheitlich von Prof. Alois Kofler stammen, umfasst die bislang bekannte Biodiversität von Aguntum knapp 1.000 Tier- und Pflanzenarten (!), wodurch sich zusammen mit zahlreichen geschützter und/oder gefährdeter Tier- und Pflanzenarten eine hohe naturkundliche Wertigkeit des Untersuchungsgebietes begründet. Damit ist Aguntum aus naturkundlicher Sicht zumindest als „regional bedeutend“ einzustufen.

Zum langfristigen Erhalt und zur weiteren Förderung der Biodiversität in Aguntum wurden auf Basis der Ergebnisse Vorschläge für ein angepasstes Flächenmanagement in der Studie angeführt, die im Rahmen des derzeit laufenden „Masterplanes für die Gestaltung des Areals als Archäologischer Landschaftspark“ integriert und in Form eines parzellenschaften Pflegeplans dargestellt werden können. Der Hauptfokus der Maßnahmenvorschläge liegt dabei auf den durch verschiedene Trockenlebensräume geprägte Offenlandflächen des Ausgrabungsgeländes und hier wiederum auf einer Extensivierung der Mahd.


Aguntum blüht – bunter Trockenwiesenaspekt im Mai 2019 im „Handwerkerviertel“; © O. Stöhr 2019.


Die auffallende Heuschrecken-Sandwespe wurde von O. Stöhr im Sommer 2019 in Aguntum nachgewiesen – wohl ein Neufund für Osttirol. © O. Stöhr 2019.


Der Fund des Zünslers Synaphe punctalis vom Juli 2019 war der Zweitnachweis für Osttirol; © H. Deutsch 2019.

Mauereidechse – die einzige Art aus der Gruppe der Reptilien in Aguntum. © O. Stöhr 2019.


Einzelindividuum des Salbei-Gamanders (Teucrium scorodonia) im Marcellum Aguntums – ein Neufund für Osttirol. © O. Stöhr 2019.