Text, Karte und Fotos: Oliver Stöhr  (04.10.2013)

 

Der schmale, randlich an den asphaltierten Teil angrenzende Streifen höherrangiger Straßen, die sogenannte Bankette, kann je nach Nutzung und Pflege einen bemerkenswerten Pflanzenstandort darstellen. So findet man auf den Banketten aufgrund der heute üblichen winterlichen Streusalzausbringung einerseits salzliebende Pflanzen, die sich ausgehend von ihren ursprünglichen Salzstandorten (z.B. Meeresküsten) entlang von Straßen ausbreiten. Andererseits kommen auch einige wärmeliebende Arten aus dem Süden über den Verkehr zu uns, die früher nicht zugegen waren. Mitunter werden diese Arten aber auch unbewusst über Begrünungssaaten an Verkehrswegen eingebracht. Straßen und andere lineare Strukturen wie Eisenbahnlinien fungieren jedenfalls als wichtige Ausbreitungswege für viele Neuzuwanderer unserer Flora. Leider umfasst das Inventar dieser "straßenliebenden" Neubürger nicht nur harmlose Vertreter, sonderen mit der Ambrosie (auch Ragweed genannt; Ambrosia artemisiifolia) auch eine gesundheitsgefährdende Problempflanze; über diese Art soll jedoch in einem späteren Beitrag berichtet werden.

Um bei den "gefahrlosen" Pflanzen zu bleiben, werden nachfolgend fünf interessante Arten der Straßenrandflora Osttirols kurz vorgestellt:

Verkanntes Samenwerfergras (Sporobolus neglectus): Bei dieser Art handelt es sich um ein ursprünglich aus Nordamerika stammendes Süßgras, das sich in den letzten Jahren ziemlich rasch an den Straßenrändern Osttirols (v.a. Isel- und Drautal) etablieren konnte. Die Pflanze ist vom Habitus sehr unscheinbar, tritt aber im Sommer durch die dichten, frischgrünen Blätter und Stengel in Erscheinung, welche sich dann im Herbst rötlich verfärben; dadurch kann es mit etwas Erfahrung auch im "Vorbeifahren" an den Banketten kartiert werden. 

Ruderal-Salzschwaden (Puccinellia distans): Dieses ebenso unscheinbare, bis max. 50 cm hohe Süßgras wird an den Straßen stark durch die Salzstreuung gefördert. In Osttirol ist diese Art nahezu bereits in allen größeren Tälern an den Hauptverbindungen anzutreffen. Vielerorts besteht sogar ein regelrecht durchgängiger Saum an den Banketten, der allein von diesem Gras gebildet wird. Die Art kann damit als eingebürgert gelten.

Kleb-Alant (Dittrichia graveolens): Als ursprüngliche Mittelmeerpflanze konnte sich der Kleb-Alant in den letzten Jahren auch in Österreich etablieren. Waren zunächst nur kleine Vorkommen an Autobahnen bekannt, so kann man 15 Jahre nach dem Erstnachweis in Österreich bereits auch kleine Populationen an Bundes- und sogar Landesstraßen ausmachen. Viele Autobahnränder werden heute von diesem gelbblühenden Korbblütler sogar dominiert. Inzwischen ist diese Pflanze in allen Bundesländern Österreichs nachgewiesen (vgl. nachstehende Verbreitungskarte). Auch in Osttirol sind erste Ansiedlungen an Banketten bekannt, so zwischen Lienz und Oberlienz und - ganz neu - bei St. Johann/Walde, Leisach und Tassenbach.


Kleb-Alant (Dittrichia graveolens), eine ursprünglich mediterrane Art.


Verbreitungskarte des Kleb-Alants für Österreich aus dem Jahre 2011.

Salz-Schuppenmiere (Spergularia marina): Nomen est omen - es handelt sich um eine Salzpflanze, deren urspüngliche Standorte in Österreich im Bereich des Seewinkels (v.a. Salzlackenränder) zun finden sind. Sekundär und teilweise auch unbeständig kommt diese niederwüchsige, rosablütige Art zudem an Straßenrändern vor, wobei sie bis dato für Osttirol noch nicht dokumentiert war. Heuer konnte die Pflanze jedoch mehrfach und durchwegs häufig im Defereggental festgestellt werden.

Schlangen-Wegerich (Plantago strictissima): Ein weiterer, überraschender Neufund aus dem Jahr 2013 war die Auffindung dieses Wegerichs in Osttirol. Zwischen Ainet und Oberlienz wurden einige Individuen dieser schmalblättrigen Art entdeckt, die auf offenen Banketten ungestört das Auslangen finden. Dieser Wegerich ist vor allem in den inneralpinen Trockengebieten heimisch, wobei Nachweise aus dem Bezirk Lienz bislang noch nicht dokumentiert waren.

All diesen Arten steht einer weiteren Ausbreitung in Osttirol nichts im Wege; man darf zudem gespannt sein, welche Pflanzen in der nächsten Zeit über die Straßen noch zu uns kommen!


Blühender Schlangen-Wegerich bei Ainet, einer von mehreren jungen Neuzuwandern an den Straßen Osttirols.