Text & Fotos: Oliver Stöhr (17.10.2015)

Wie angekündigt, werden nun in zwei Beiträgen einige interessante Beobachtungen zur Tier- und Pflanzenwelt Osttirols aus dem Sommer 2015 präsentiert, über die aufgrund der technischen Probleme bei der NAGO-Homepage nicht schon früher berichtet werden konnte. Der erste Beitrag widmet sich floristischen Funden, die allesamt von Oliver Stöhr im Zuge eintägiger Exkursionen in die Natur Osttirols getätigt wurden.

Am 05.06.2015 wurde mitten in Debant an einer Straßenböschung im Siedlungsbereich unerwarteterweise eine auffallende, gelbblühende Wicke in ca. 10 Individuen nachgewiesen, die sich als Vicia grandiflora (Großblüten-Wicke) herausstellte. Es handelt sich dabei um den Zweitfund dieses Schmetterlingsblütlers in Osttirol, da Alois Kofler bereits früher die Art in Schlaiten nahe der Isel entdecken konnte. Dem Verfasser ist die Art auch aus dem benachbarten Kärnten bekannt, wo sie z.B. an der Straße von Obervellach nach Mallnitz ebenfalls auf einer Böschung wächst. Insgesamt ist Vicia grandiflora eine Art der tieferen Lagen und besiedelt neben Böschungen auch Wiesen, Äcker, Gebüsche und Ruderalfluren.

Die Großblüten-Wicke (Vicia grandiflora) in Debant mit großen cremegelben Blüten und unpaarig gefiederten Blättern, die Blattranken aufweisen.

Ein weiterer bemerkenswerter Schmetterlingsblütler aus der Gattung Klee (Trifolium) wurde im Zuge der NAGO-Exkursion zwischen St. Jakob in Defereggen und Seespitzhütte im Bereich Oberberg am 18.07.2015 entdeckt. Am Rand einer ehemaligen Bergwiese auf 1930 m Seehöhe staunten die Exkursionsteilnehmer nicht schlecht, als ihnen rd. 5 Exemplare des seltenen Fuchs-Klees (Trifolium rubens) präsentiert wurden. Der Wuchsort und die Seehöhe sind für diesen Trockenheitszeiger, der an sich eher an tieferen Lagen gebunden ist, ungewöhnlich. In Osttirol war diese Art bis dato nur von Nörsach bekannt. Unklar ist, ob es sich um ein natürliches Vorkommen handelt oder ob die Art hierher verschleppt wurde. Weitere interessante Pflanzen, die im Zuge dieser Exkursion vorgestellt werden konnten, waren der subendemische Winnebacher Bunt-Schwingel (Festuca varia ssp. winnebachensis), die durch aufrechte Blüten ausgezeichnete Form der Bart-Glockenblume (Campanula barbata ssp. strictopedunculata) und ein Individuum des sehr giftigen adventiven Purpur-Fingerhuts (Digitalis purpurea). 

Der Fuchs-Klee (Trifolium rubens) am Oberberg oberhalb St. Jakob in Defereggen - ein unterwarteter und hochgelegener Nachweis dieses auffälligen Klees.

Im Defereggental gelangen weitere bemerkenswerte Pflanzenfunde und zwar im Zuge einer Wanderung von der Staller Alm zum Hirschbichl, welche am 10.07.2015 durchgeführt wurde. So gelang am Hirschbichl in der Planklacke der Nachweis des Schmalblättrigen Igelkolbens (Sparganium angustifolium). Diese seltene Wasserpflanze wurde dort bereits vermutet, da im Buch von Walter Mair über die Bergseen Osttirols ein Foto der Planklacke zu finden ist, das flutende, an diese Art erinnernde Blätter zeigt. Zusammen mit einem früheren Fund von Oliver Stöhr vom Rothorn oberhalb der Patscheralm und einem noch unpublizierten Fund von Hans-Christian & Brigitte Wille vom Naßfeld oberhalb St. Johann im Walde handelt es sich den dritten Wuchsort in Osttirol. Zwei weitere interessante Funde wurden ebenso bei dieser Wanderung gemacht und zwar die Entdeckung des unscheinbaren Schuppenrieds (Kobresia simpliciuscula) in kleinen Rieselfluren und des Filz-Brandlattichs (Homogyne discolor), einer an sich kalkliebenden Art. Beide Arten sind damit wohl zum ersten Mal in den Villgrater Bergen (Deferegger Alpen) nachgewiesen. Schließlich gelang auf der Heimfahrt von dieser Tour noch ein schöner Adventivfund am Rand der Stallersattel-Straße bei ca. 1840 m Seehöhe. Dort konnte der Island-Mohn (Papaver croceum) in wenigen Individuen angetroffen werden. Diese in den Alpen nicht heimische Art ist im Gletschervorfeld des Morteratsch-Gletschers in der Schweiz bereits bis zum Gletscherrand zu finden, in Osttirol ist sie noch kaum beobachtet worden. 

Beim Schmalblättigen Igelkolben (Sparganium angustifolium) ragen die Blütenstände über das Wasser heraus, während die Blätter auf der Wasseroberfläche fluten.

Der intensiv orangeblühende Island-Mohn (Papaver croceum) am Rand der Straße zum Staller Sattel. 

Schlussendlich soll eine weitere fremdländische, relativ hochwüchsige Pflanze vorgestellt werden, die zum Teil auch in einigen Gärten Osttirols kultiviert wird. Es handelt sich um die Seidenpflanze (Asclepias syriaca), die am 25.07.2015 in der Peggetz bei Lienz an der Bahn in einem größeren Trupp verwildert gesichtet wurde. Diese Art stammt aus ursprünglich aus dem östlichen Nordamerika und nicht wie der wissenschaftliche Name vermuten lässt aus Syrien. Sie ist giftig und in Teilen Österreichs bereits eingebürgert. Früher wurde sie versuchsweise als Faser- und Kautschukpflanze kultiviert, heute ist wird sie jedoch primär als Zierpflanze gehalten. Der Nachweis in der Peggetz ist der erste einer größeren verwilderten Population dieser Art in Osttirol, bereits letztes Jahr konnte ein verwildertes Individuum nahe Lengberg von Oliver Stöhr entdeckt werden.

Die durch duftende Blütenstände und große ungeteilte Blätter auffallende Seidenpflanze ist ein bis zwei Meter hoher Vertreter der Hundszahngewächse. An der Bahn in der Peggetz tritt sie gemeinsam mit der gleichsam aus Nordamerika stammenden Kanadischen Goldrute (Solidago canadensis) auf.