Text: Oliver Stöhr, Fotos: Eva Benedikt & Oliver Stöhr (26.5.2016)

Am Samstag, den 21.5.2016, fand eine gut besuchte NAGO-Exkursion im Stadtzentrum von Lienz unter der Leitung von Oliver Stöhr statt. Abgesehen von bemerkenswerten Vorkommen des Gelben Lerchenspornes (Pseudofumaria lutea), Sand-Schachtelhalmes (Equisetum ramosissimum) und Aufsteigenden Fingerkrautes (Potentilla inclinata) staunten die Teilnehmer wie auch der Exkursionsleiter nicht schlecht, als sie mitten in der Bezirkshauptstadt auf eine heute eine weitgehend auf Hochlagen beschränkte Pflanze trafen: An der Isel-Ufermauer nahe des alten BORG zeigten sich 10 Individuen des Mond-Rautenfarnes (Botrychium lunaria), die auf einer eng begrenzten Stelle in einem einzigen, größeren Moospolster wuchsen. Ganz offensichtlich hat sich diese zu den Natternzungengewächsen zählende Farnpflanze über Sporenflug mitten im stark verbauten Stadtkern von Lienz angesiedelt!

Als Begleiter dieses Rautenfarnes waren auf dem Moospolster Wiesen-Klee (Trifolium pratense) sowie einzelne nicht blühende Individuen eines Habichtskrautes (Hieracium sp.) und eines Frauenmantels (Alchemilla sp.) zu beobachten. Wenige Zentimeter davon entfernt waren mit Schmalblatt-Lavendel (Lavandula angustifolia), Teppich-Steinmispel (Cotoneaster dammeri) und Weichem Frauenmantel (Alchemilla mollis) verwilderte Gartenpflanzen sowie typische heimische Mauerpflanzen anzutreffen.

Vorkommen des Mond-Rautenfarnes auf einem Moospolster an der Isel-Mauer mitten in Lienz.

In der Tirol-Flora (Bd. 6) von A. Polatschek werden aus dem Lienzer Becken Fundorte aus dem Bereich Lengbergerbrücke-Bahnhof Nikolsdorf, wo die Art heute noch vorkommt (siehe Foto unten), sowie sogar aus Lienz selbst ohne genauere Angabe angeführt. Weitere Nachweise aus dem Lienzer Becken sind in der Fachliteratur nicht dokumentiert. Ein weiteres tief gelegenes Vorkommen von Botrychium lunaria, das in der Publikation über die Bahnhofsflora von Osttirol (Stöhr & Brandes 2014) erwähnt wird, befindet sich am Bahnhof Mittewald in einem ruderalen Magerrasen.

Die unscheinbare Mondraute, wie diese Art kurz auch genannt wird, ist an sich eine typische Art trockener Magerwiesen und -weiden; daneben kann sie selten in lichten Wäldern auftreten. Ihre Höhenverbreitung reicht von der submontanen bis in die alpine Höhenstufe, wobei Tieflagenvorkommen aufgrund des zunehmenden Verschwindens von Extensivgrünland heute eine große Rarität darstellen. Auch in Osttirol ist sie, wie oben angedeutet, kaum mehr in tieferen Lagen anzutreffen, während sie im Waldgrenzbereich und darüber noch verbreitet und mitunter häufig auftritt. Vorkommen an Mauern sind in der Fachliteratur bislang kaum bekannt - und somit stellt es sicher ein Kuriosum dar, wenn die Mondraute u.a. neben der namensverwandten Mauerraute (Asplenium ruta-muraria) gedeiht ...

Portrait der Mondraute (Botrychium lunaria) - aufgenommen im Niltal bei Virgen.

Mond-Rautenfarn an der Bahnböschung bei Nikolsdorf - dieses schon in der Tirol-Flora genannte Vorkommen wurde am 26.5.2016 von Oliver Stöhr bestätigt.