Text: Herbert Angerer; Fotos: Helmut Deutsch, Adrian Stöhr & Oliver Stöhr (26.01.2014)
In Deutschland wurde heuer die Traubeneiche in den erlauchten Kreis der „Jahresbäume“ aufgenommen, und da man sich hierzulande von den deutschsprachigen Nachbarn gerne etwas abgrenzen will, oder vielleicht auch weil die Traubeneiche für Österreich etwas weniger typisch ist, hat das Umweltministerium und das Kuratorium „Wald“ sich heuer die Rotbuche mit dem wissenschaftlichen Namen Fagus sylvatica als österreichischen Baum des Jahres auserwählt.
Dass es sich bei der Buche für den aktuellen Zeitabschnitt um den bekanntesten „Waldbildner“ handelt, kommt wohl auch in der Bezeichnung „Mutter des Waldes“ zum Ausdruck, der in der Forstwirtschaft gebräuchlich ist. Der angemerkte Hinweis auf den Zeitabschnitt bezieht sich hierbei auf das Zeitalter, welches von bestimmten Baumarten geprägt wird. So gab es in vergangenen Jahrtausenden beispielsweise ein Kiefern- und ein Birkenzeitalter und eben auch ein Buchenzeitalter - in dem wir uns zurzeit befinden. Erkenntnisse darüber liefert die Pollenanalyse, die in zeitlich zuordenbaren und konservierenden Schichten die Dichte der Pollen für einen bestimmten Zeitraum feststellt. Damit ist die Buche nicht nur der Baum des Jahres, sondern auch unseres Zeitalters.
Der wissenschaftliche Name des Baumes leitet sich von der Essbarkeit seiner Früchte (griechisch phagein) und der Tatsache ab, dass es sich bei dem Baum um einen typischen Vertreter des Waldes (lat. sylva) handelt. Die Nüsse der Rotbuche, die bekannten Buchecker (Achäne), waren früher trotz ihrer leichten Giftigkeit als Schweinefutter beliebt, wurden zur Ölgewinnung verwendet oder seltener auch als Kaffeeersatz genutzt.
Von Rotbuchen dominierte Wälder erkennt man leicht an der rötlichen Blattstreu, den bleigrauen Borken und den frischgrünen Blättern.
Systematisch bestimmt der Gattungsname den Namen der Familie (Fagaceae, Buchengewächse) und den Ordnungsnamen (Fagales, Buchenartige) und damit wird wohl auch deutlich, welche Bedeutung diese Baumart für die heimischen Wälder besitzt. Aufgrund der breiten Standortsakzeptanz kann die Rotbuche mit fast allen ihr zur Verfügung stehenden Standorten etwas anfangen. Sie wächst auf basischen (Kalk, Dolomit, Mergel u.a.) und sauren (Granit, Gneis u.a.) Gesteinen, in Schatt- und Sonnlagen und erträgt auch sehr trockene Standorte. Sie bildet dabei jeweils unterschiedliche Waldtypen aus und dominiert in den Seehöhen von 300 bis 1000 m in weiten Bereichen die Baumschicht. Dass diese Baumart auch noch mehr kann und vor allem in den Südalpen auch noch deutlich höher steigen kann, ist auch in der Umgebung von Lienz zu beobachten, wo einzelne Bäume noch in Höhen von 1600 m (Schlossberg) zu finden sind. Was sie nicht mag, sind „nasse Füße“. Feuchte oder nasse Standorte werden von anderen Baumarten besser ausgenützt, die Rotbuche jedenfalls meidet diese.
An bemerkenswerten Buchenwaldtypen hat auch Osttirol etwas zu bieten. Vor allem der in den südlichen Lagen von Lienz auftretende Buchenwald mit dreiblättrigem Buschwindröschen (Anemone-trifoliae-Fagetum) ist österreichweit ein sehr seltener Waldtyp und eine besondere südalpine Erscheinungsform des Buchenwaldes. Auch der in den Südlagen bei Nörsach vorhandene Erdseggen-Buchenwald zählt zu den naturschutzfachlich bedeutsamen Waldstandorten. Hier erscheint die Buche zusammen mit Kiefer, Hopfenbuche und Mannaesche auf sehr trockenen Standorten häufig auch in Begleitung seltener Orchideenarten.
Frühlingsstimmung in einem Buchenwald nahe Nikolsdorf
Trotz der hier erwähnten Buchenvorkommen fällt, wenn man sich in der Umgebung von Lienz umsieht, schnell auf, dass ausgerechnet Rotbuchenbestände in weiten Bereichen fehlen, und dies hat vor allem wirtschaftliche Gründe. Die Forstwirtschaft der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte hat der Fichte den Vorzug gegeben und so ist die Rotbuche auf vielen Buchenstandorten durch die „effektivere“ Fichte ersetzt worden. Schnelles Wachstum, geringe Platzansprüche und eine breite Standortakzeptanz haben der Fichte diese Vorteile verschafft.
Der unverwechselbare Alpenbock (Rosalia alpina) ist ein typischer Totholzbewohner auf Rotbuche und wurde 2011 in Osttirol wiederentdeckt.
Die einseitige Bewirtschaftung der Wälder hat aber auch Nachteile und inzwischen werden diese auch auf Seiten der Wirtschaft immer deutlicher erkannt. Einseitige Nährstoffnutzung und Anfälligkeit gegenüber Krankheiten und Parasitenbefall verursachen in den klassisch genutzten, fichtendominierten Beständen oftmals kostenintensive Schäden. Die Buche kann dagegen einiges tun. Als guter Streuproduzent wirkt sie der Versauerung der Bodenoberfläche entgegen. Der Laubabwurf erlaubt das Eindringen von Licht in die unteren Schichten des Waldes und lässt zumindest im Frühjahr das Wachstum einer Krautschicht zu. Damit ist im Buchenwald auch ein jahreszeitlicher Verlauf im Aufbau der Waldschichten zu beobachten. Vor dem Auskeimen der Blätter und dem nachfolgenden „Verschluss“ der Lichtzufuhr durch das dichte Blätterdach erscheint im Buchenwald eine reiche Auswahl an Frühjahrsblühern wie etwa Leberblümchen, Lärchensporn- und Veilchenarten, Waldmeister, Seidelbast, Zahnwurz, Blatterbse und in den späteren Frühjahrsmonaten auch eine Reihe an seltenen Orchideenarten wie Waldvöglein, Frauenschuh oder Stendelwurz. Eine große Vielfalt an Lebewesen bevölkert diesen Wald und sie sind damit nicht nur räumlich sondern auch zeitlich an die wechselnden Verhältnisse im Buchenwald angepasst. Zu den tierischen Bewohnern der Buchenwälder zählen u.a. der Nagelfleck, ein eindrucksvoller orangefarbener, sehr schnell im Frühling fliegender Schmetterling, und auch der selten gewordene, EU-weit geschützte Alpenbock-Käfer, dessen Larven im Totholz der Rotbuche leben.
Die klärende Kühle und das milde Dämmerlicht des sommerlichen Waldes erfrischt das Gemüt und im Herbst zeigt sich der Buchenwald oft in leuchtenden Orange- und Rottönen und erfreut mit diesen warmen Farben das Auge.
Herbstlich verfärbter Buchenwald im Salzburger Flachgau
Alles in allem hat es die Rotbuche wohl mehr als verdient mal ganz oben in der Reihe der „Sieger“ zu stehen und der Wertschätzung der Menschen anheim zu fallen. Vielleicht auch etwas was wir täglich ganz unbewusst tun, etwa wenn wir lesen, denn der Name „Buchstabe“ entstammt unserer germanisch-keltischen Vergangenheit. Damals wurden auf Buchenstäben Runen aufgeritzt und nach dem Werfen dieser Holzstäbe durch den Druiden das entstandene „raedelse „ (englisch: riddle, deutsch: Rätsel) gelöst.
Und noch etwas, was zu erwähnen wäre: Die angeblich älteste bekannte Buche Österreichs steht in Oberösterreich, im Nationalpark Kalkalpen und ist mit 520 Jahren ein wirklich alter Baum. Sie ist hier Teil eines der letzten mitteleuropäischen Urwälder.